Karen Werner
HAUS, part II: Zirkus, 2018 • TONSPUR 76
HAUS, PART II: ZIRKUS
„HAUS“, part II: „Zirkus“ spielt einmal mehr im Inneren des Hauses in der Novaragasse, in dem Karen Werners jüdische Familie über Generationen hinweg wohnte, bis die Nazis 1939 das Haus als „Sammelwohnungen“ konfiszierten. Wie Teil I untersucht auch „HAUS“, part II: „Zirkus“ die Sprache, das Narrativ und die Möglichkeiten zur Versöhnung, nur dass diesmal wegen der Nähe der Novaragasse zur Zirkusgasse und zum Prater der Zirkus als Sprache übernommen wird. Diese Sprache beschwört die wechselhafte – manchmal glückliche, manchmal tragische – Geschichte der Vergnügungsareale im zweiten Bezirk wieder herauf. Teil II des Klangdiptychons lehnt sich nämlich an die Inszenierung der alten Zirkusse an, die eine chaotische Abfolge von Spektakeln und artistischen Nummern war. Da gab es Trapezkünstler, ein Spukschloss, einen Flohzirkus und Pausenclowns. Wie auch die kabbalistische Sprache in Teil I ist die Sprache des Zirkus so eigen, dass nur sie das grausige Spektakel darzustellen vermag, das sich im Haus zugetragen hat. Und wie die Kabbala ist auch der Zirkus eine Sprache von Menschen, die sich an den Rändern der Gesellschaft befinden. Und die Ränder sprühen geradezu vor Möglichkeiten, die Mitte der Gesellschaft zu verändern.
Etymologisch geht das Wort Zirkus auf das lateinische Wort für Kreis zurück. Der Zirkus ist also eine Sprache, die Menschen verbindet, wobei er aber auch problematische Formen der Diskriminierung, Unterdrückung und Ausbeutung konnotiert. Bereits im alten Rom diente der Zirkus als politische Ablenkung. Das Volk sollte möglichst passiv bleiben. Unter Beachtung dieser Makel in Form und Sprache aktiviert und akzentuiert der Haus Zirkus die Möglichkeiten des Zirkus, auf surreale Art die Wahrheit zu sagen, und seinen Kreis weiter und demokratischer zu machen. Alle sollen im Haus in der Novaragasse Platz finden: die KünstlerInnen, die Geister der Vergangenheit, die Erinnerungen an das Haus und an die Gegend, die heutigen BewohnerInnnen, alle ZeugInnen und alle, die heute zuhören. Durch ihre Aufmerksamkeit und Kreativität versucht der Zirkus sein diskursives Vermächtnis auszudrücken und zugleich zu retten. Haus Zirkus arbeitet auch mit den schmerzvollen Erinnerungen und der kreativen Vitalität des Hauses in der Novaragasse, die über all die Zeit hinweg hier statt fand. Es stärkt und transformiert die intimen Räume des Ich, der Familie und ihres alten Zuhauses und versöhnt sie mit den öffentlichen Zirkeln der Gemeinschaft, der Stadt und der ganzen Welt.
„HAUS“, part I: „Covenant of the Tongue“ sowie „HAUS“, part II: „Zirkus“ sind die letzten beiden Episoden von Karen Werners siebenteiligem Klangprojekt „Strange Radio“. Eine Kompilations-LP mit Booklet ist für 2019 in Vorbereitung.
BIOGRAPHIE
Karen Werner, geboren 1967 in Pittsburgh PA, USA, lebt und arbeitet in Montague MA, USA. 66. TONSPUR-Artist-in-Residence im Q21/MQ.
karenwerner.net
Eröffnung: Di 22.02.2018, 19:30h
Einleitende Worte:
Gue Schmidt [Projektraum MAG3] – lesen
Georg Weckwerth – lesen
Felicitas Heimann-Jelinek [unabhängige Kuratorin] – lesen
Uschi Lichtenegger [Bezirksvorsteherin 1020 Wien] – lesen
TONSPUR 76
- Karen Werner [US]*
- HAUS, part I: Covenant of the Tongue, 2017
- 8-Kanal-Klangarbeit, 7-teilige Bildstrecke, acht gravierte Messingplaketten, Radioarbeit
- Dauer 18:00 min
- Konzept, Tonaufnahmen, Komposition: Karen Werner
- Stimmen: Edwin Deutsch, Benjy Fox-Rosen, Yuval Katz-Wilfing, Karen Werner, Marion Werner, und der Sprechchor geleitet von Bruno Pisek
- Klangbeiträge: Benjy Fox-Rosen, Reni Hofmüller, Elisabeth Kelvin, der Sprechchor
- Tonmeister: Martin Leitner
- Produktion: TONSPUR Kunstverein Wien für die Serie
- TONSPUR für einen öffentlichen raum
- In Zusammenarbeit mit ORF Kunstradio, ORANGE 94.0, MAG3
- Besonderer Dank an Clare Ellis, Dr. Felicitas Heimann-Jelinek,
- Hermine Jira, Paweł Kamiński, Yuval Katz-Wilfing, Keith McGowan, Paweł Mendrek, David Nielsen, Bruno Pisek, Georg Salner, Marion Werner, Gregory Whitehead, Elisabeth Zimmermann.
- *66. TONSPUR-Artist-in-Residence im Q21/MQ
- 23.02.18–23.03.18
- MAG3, Schiffamtsgasse 17, 1020 Wien
- Di–Fr 17–20h