John Oswald

Eislaufen, 2010 • TONSPUR 34

EISLAUFEN

Die TONSPUR ist ein stark frequentierter Fußgängerdurchgang. Die meisten Leute durchqueren den Raum ohne ein besonderes Verlangen nach zusätzlichem Sound. Zu diesen Passanten flüstert und ruft mein TONSPUR-Environment in vielen Stimmen und Sprachen: Begrüßungen und Verabschiedungen sind zu hören.
Dazu habe ich als gelegentliches musikalisches Zwischenspiel die berühmteste aller Wiener Melodien hinzugefügt; allerdings ist die Melodie so langsam, dass sie für die meisten schnell gehenden städtischen Passanten kaum zu erkennen ist.
Eine schnellere Version dieser Musik wird, wie ich gehört habe, hier in Wien auch zur Verabschiedung des alten und Begrüßung des neuen Jahres gespielt.
Wenn ich sie höre, denke ich an Eislaufen – daher der Titel.
John Oswald, Februar 2010

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BIOGRAPHIE
John Oswald, geboren 1953 in Kitchener, Ontario, Kanada, lebt und arbeitet in Toronto, Kanada.
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TONSPUR 34
2010: Austro-Pop-Rock-Queen Christina Stürmer remixt die österreichische Bundeshymne und es entbrennt ein Urheberrechtsstreit! 1988: John Oswald‘ „plunderphonics EP“ erscheint und avanciert zum ‚extremsten Sampling-Album‘ seiner Zeit. Im Jahr darauf sampelt Oswald u. a. Michael Jackson‘ „Bad“ auf dem Underground-Kultklassiker „plunderphonic CD“ – auf das Cover plaziert er dazu den ‚King of Pop‘ als weiblichen, sich von schwarz hin nach weiß transformierenden Akt – und macht Bekanntschaft mit Jacksons Rechtsvertretern. 1992 wiederum laden ihn die legendären Grateful Dead ein ‚to plunderphonicize them‘. „Grayfolded“ [1994] ist das Resultat und wird ‚record of the year‘ in Kanada.
John Oswald oder Mr. Plunderphonics oder hierzulande Herr Plundermeister ist eine der schillernsten Figuren der internationalen Musikszene. Der von ihm bereits 1985 geprägte, intellektuell unterfütterte Terminus ‚Plunderphonics‘ [‚or, Audio Piracy as a Compositional Prerogative‘] ist bedeutende Wegmarke für das Verständnis zeitgenössischer musikalischer und klangkünstlerischer Produktion. Oswalds Einfluß reicht heute von der Popularmusik über Sound art bis hin zur E-Musik; dazu ist er ein begnadeter Saxophonspieler und Tänzer. Für die kanadische Presse ist er ‚probably Canada’s most important composer-musician‘. Doch John Oswald [*1953, Kitchener, Ontario] ist darüber hinaus auch ein herausragender Medienkünstler und ‚Bild-Alchimist‘. Dafür wurde er 2004 mit der höchsten Ehrung für einen kanadischen Künstler ausgezeichnet, dem ‚Governor General’s Award for Media Arts‘.
John Oswald als Artist-in-Residence hier in Wien zu haben ist ein Glücksfall. 10 Jahre nach der großen Festwochen-Installation „Stress“ [Bruce Mau/John Oswald], beauftragt vom und aufgeführt im MAK, nun also ein neues Stück für Wien. Hinter dem schlichten Titel „Eislaufen“, der TONSPUR 34 für einen öffentlichen raum, verbirgt sich eine Klangarbeit oder passender eine ‚Klangcollage‘ [begleitet von einer Bildcollage mit Personen aus Oswalds ‚Census‘-Projekt], die so unterschiedliche Attribute wie geheimnisvoll, spielerisch, kommunikativ, musikalisch, auf-den-Ort-bezogen in sich vereint. Ein Sampling darf darin nicht fehlen, Op.314 bittet zum Tanz. Alles Walzer! J. B. Strauss‘ Erben werden hoffentlich gnädiger sein als weiland Jackos Anwälte oder dieser Tage die ©Wächter über die ‚offizielle‘ Hymne Österreichs.
Georg Weckwerth, Februar 2010

TONSPUR 34

  • John Oswald [CDN]*
  • Eislaufen, 2010**
  • 8-Kanal-Komposition
  • Länge 14 min.
  • *23. TONSPUR-Artist-in-Residence im quartier21/MQ
  • **unterstützt von ORF Kunstradio
  •  
  • 22.02.10–15.05.10
  • MuseumsQuartier Wien
  • TONSPUR_passage
  • [zwischen MQ Hof 7 und 8]
  • Täglich 10–20h
  • Eröffnung: So 21.02.10, 17h
  • Einleitende Worte:
  • Georg Weckwerth
  • [Künstlerischer Leiter TONSPUR]
  • Susanna Niedermayr
  • [ORF Ö1 Zeit-Ton / musikprotokoll]