T_D #8: Angélica Castelló • Magnetismos

6. Mai–12. Juni 2024 • täglich 10:00—20:00

TONSPUR_display | Showroom TONSPUR Kunstverein Wien
MuseumsQuartier Wien • Museumsplatz 1 • 1070 Vienna
Eröffnung Sonntag 5. März 2024 • 17:00

Angelica Castelló verwebt Sound mit Tradition und Intimität zu Geschichten, die von den Magnetbändern flüstern, die sie so geschickt bearbeitet. Castelló erweitert die herkömmliche Funktion des Magnetbands als bloßer akustischer Speicher, indem sie es symbolisch zu einem murmelnden Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart macht, die in ihren Händen zu einem Ganzen verflochten werden, der wie ein Dialog zwischen Geistern wirkt.

Der Kern von Castellós magnetophonischer Weberei ist die Doppelrolle des Materials als Aufnahmemedium und Geschichtenerzähler. Einer Bardin aus alten Zeiten gleich erweckt sie durch den Nachhall religiöser und heidnischer Traditionen auch Erinnerungen zu neuem Leben. Mit alten Radios und Kassettenspielern errichtet sie Klangaltäre, auf denen Vergangenes wachgerufen wird.

In dieser Werkgruppe verbindet Castelló Präzision mit der meditativen Tätigkeit des Webens – tejer lo vivido (weben des Gelebten). Jeder Magnetbandstrang ist ein Faden im Wandteppich von Castellós Erzählung, akribisch ausgelegt zu einer Bedeutungstextur. Im Zusammenspiel mit ihren Kompositionen, die aus bearbeiteten Feldaufnahmen, Radiowellen und geflüsterten Beschwörungsformeln bestehen, wird diese zu riesigen verschlingenden ozeanischen Texturen erweitert. Diese ziehen die Zuhörenden in ihre Tiefe und hüllen sie in eine Klang- und Gefühlswelt ein. In ihrer verführerischen Schönheit sprechen sie zur ursprünglichen Natur des menschlichen Geistes und berühren uns tief in der Seele.

Magnetismos verbindet die drei Arbeiten Magnetic Room (2017), Magellanic Tapes (2018) und Magnetic Islands (2017), die mit Stimmen und Wesenheiten von mehreren Bändern jeweils ihre eigene Geschichte erzählen.

Bei Magnetic Islands (2017) handelt es sich um Erinnerungen, die durch Tonband, einem Material, das ja viele magnetische Eigenschaften hat, zu einer Decke verwoben wird, die symbolisch vor dem Vergessen schützen soll. Es ist eine flexible Skulptur, die an gewebtes Seegras erinnert und Themen wie Textur, Textil und Magnetismus anspricht.

Magnetic Room (2017) wiederum erkundet auf immersive Weise die Themen Anbetung, Verwirrung und Erinnerung. Mit fünf amorph organähnlichen Formen aus verwobenem, tonbandartigem Band, die von der Decke hängen, wirkt die Installation wie eine einzige Masse vibrierender Energie. Gedämpftes Licht fällt auf das Band, das wie ein aus einem Sumpf auftauchendes Reptil schimmert. Die Bewegungen der hängenden Masse werden durch ein Podest darunter noch verstärkt. Die Installation wirkt wie ein Leitfaden durch die Komplexität von Ängsten und bietet Einblicke in deren Beherrschung, in Freiheit, Dunkelheit und ihre Produktivität.

In ihrer Urform waren die Magellanic Tapes (2018) eine Installation mit einem aus Tonband gewebten Wandteppich, gefundenen Objekten, kaputten Audiokassetten, kleinen Polaroid-Bildern, Audiodateien, Lautsprechern und – nach Bedarf – auch Videokomponenten. Angélica Castelló schuf das Projekt im Zuge einer Residency in der subpolaren Region Chiles, genauer in der Magellanstraße. Es handelt von Themen wie Erinnerung, Ferne und dem Alltag der dort abgelegen lebenden Menschen. Angelpunkt ist der niemals endende Meereswind, der in Castellós Werk als Motiv immer wieder auftaucht und die Einheit von Natur und Kultur symbolisiert. Mit ihren analogen und physischen Materialien, die Tonaufnahmen des Winds und menschlicher Begegnungen bis hin zu lokaler Musik und den Stimmen von Schulkindern umfassen, lässt die Installation das Publikum in die Geschichten und Gefühle einer Expedition eintauchen. Die Tonaufnahmen, die auf analogen Kassetten aufgenommen und für die Komposition digitalisiert wurden, werden mit dem Wandteppich verwoben. So können persönliche Erzählungen, ethnografische Beobachtungen und experimentelle Klanglandschaften ineinandergreifen. Zur Installation gehört auch ein Video, das die Künstlerin beim Häkeln auf der Isla de Hornos zeigt, sowie Fundstücke und Fotos, die die Reise zusammenfassen und dem Publikum ein multisensorisches Erlebnis einer Tour an den Rand der Welt und eine poetische Hommage an die Kraft der Natur bieten.

Mit Magnetismos werden die drei Arbeiten nun neu kontextualisiert. Die Kompositionen verstummen, während ihre atmosphärische Präsenz in den Vordergrund tritt und den Blick auf neue Landschaften freigibt.

Lorena Moreno Vera, 2024

ANGÉLICA CASTELLÓ *1972, MEX/A, Komponistin und Klangkünstlerin, Studium in Mexiko, Kanada, Holland und Österreich.
Ihre Arbeit kreist um das rätselhafte Land der verlorenen Erinnerungen, des Todes und traumatischer Begegnungen, der Fragilität, der Traumwelt und des Unterbewusstseins.
Zahlreiche Kompositionen, Veröffentlichungen, Kooperationen und Preise.
Sie ist auch als Kuratorin und Lektorin (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Anton Bruckner Privatuniversität) tätig. Angeélica Castelló lebt und arbeitet in Wien.
https://castello.klingt.org