T_D #7 • Peter Weibel • Der elektrische Krieg

TONSPUR_display #7
in memoriam
Peter Weibel
* 5.3.1944  † 1.3.2023
Der elektrische Krieg, 1983
TONSPUR für einen öffentlichen raum 2024

2.3.—1.5.2024
Eröffnung • Freitag • 1 März 2024 • 19:00
Einführung Romana Schuler •
word donations: Sabine Kienzer • David Moss •
Ruth Schnell • Gerhard Rühm

TONSPUR_display
Showroom TONSPUR Kunstverein Wien
MuseumsQuartier Wien
Museumsplatz 1 • 1070 Wien
täglich 10:00 to 20:00


Der elektrische Krieg (Ausschnitt)
Ausstellung: Köln, Moltkerei Werkstatt
13.—19.11.1983

PETER WEIBEL * 5.3.1944 IN ODESSA † 1.3.2023 IN KARLSRUHE

photo Georg Weckwerth, ZKM Karlsruhe, Okt 2022

ZUM TOD PETER WEIBELS

die nachricht vom tod peter weibels hat mich sehr betrübt. er war in seiner art einmalig und unersetzlich. unsere beziehung zueinander währte lange – wenn ich mich nicht täusche lernten wir uns anfang der sechziger jahre kennen. anfangs noch eine erfreuliche bekanntschaft innerhalb meines freundeskreises, wurde eine immer engere freundschaft daraus, die ich in meinem leben keinesfalls missen möchte. er war nicht nur hochintelligend und gebildet – gespräche mit ihm waren für den partner stets gewinnbringend – er verhielt sich auch seinen jeweiligen gesprächspartnern gegenüber auf eine angenehm freundliche und zugewandte weise. man musste ihn einfach mögen wie er war.

wir hatten immer wieder gemeinsame auftritte, über die manch anekdotisches zu erzählen wäre. anfangs hatte er übrigens mehrfach pech bei seinen auftritten, vorallem wenn dabei umständliches technisches gerät zum einsatz kam – irgend etwas ging dabei dann schief, funktionierte nicht so wie geplant. fand aber doch immer ein akzeptables ende. manchmal war er dabei körperlich selbst gefährdet, etwa wenn er seinen mit einem feuer abstossenden wundermittel bestrichenen arm in einen mit flammen gefüllten eimer tauchte, um sie dann brennend hochzuhalten. zum glück hat er dabei keine bleibenden brandverletzungen davongetragen. nichts desto weniger hat er bis zuletzt eine ganze reihe gelungener darbietungen absolviert. er war wohl einer der ersten aktionskünstler, durchaus in konzeptuellem sinn.

unverzichtbar und zweifellos von bleibendem wert sind seine katalogtexte. die kataloge, die er initiierte haben aufallend umfangreiche ausmasse und kamen oft erst bei ende der ausstellung auf den ladentisch, was freilich mit ihrer inhaltlichen komplexität zu tun hatte. jedenfalls sind seine theoretischen schriften von besonderer bedeutung und als anspruchsvoller lesestoff unbedingt anzuraten.
ausserordentlich verdienstvoll sind auch seine publikationen über zu unrecht vergessene künstler und wissenschaftler vor und während der nazibarbarei. was er da wieder in erinnerung gerufen hat, ist eindrucksvoll und von nachhaltiger wirkung.

meine intensivste und wichtigste erinnerung an peter ist seine vorstellung der „wiener gruppe“ (friedrich achleitner, h.c. artmann, konrad bayer, gerhard rühm, oswald wiener) bei der biennale von venedig 1997. schon das konzept seiner sensationellen präsentation ist ein genialer akt. die schweren brocken seines bild- und informationsreichen katalogs baute er zu einem riesigen haufen bühnenbildartig aufeinandergeschichteter exemplare im ausstellungsraum auf – sie konnten von den besuchern konstenlos mitgenommen werden. so geriet das „bühnenbild“ in dauernde veränderung. in den strassen von venedig stiess man nachts zuweilen auf einzelne liegengebliebene exemplare, die den besitzern beim schleppen durch das belebte venedig offensichtlich zu schwer geworden waren. jedenfalls war das ganze ein spektakuläres ereignis von grosser wirkung. ich werde unsere erlebnisreichen gemeinsamen tage in venedig nie vergessen.

mein dank und meine hochachtung gilt dem menschen, dem künstler, theoretiker und oft auch chaotischen organisator, meinem verlorenen freund peter weibel mit trauer und grossem bedauern über sein ungewollt überstürztes verlassen der szene.

– gerhard rühm im februar 2024

A Mystery Revealed

From 1983 to 1986 I was the producer/moderator for “U.S. Ear: the New Music Review for Radio” — a weekly magazine-style program about new and experimental music, and broadcast by over 100 radio stations throughout the country.

As I remember it now (40 years later), one day an audio cassette arrived from our German reporter… no performers or band listed, simply titled “Sex in der Stadt”.   We decided to feature the song, but because this was America in the early 80’s, (and radio stations had rules about “appropriate” content), it was decided to pronounce the title as “Six in the City”.  Fine!  No problem… the lyrics were in German, and no one could really understand them.  The music was propulsive — with a quasi-spoken lyric and a sung refrain of the title:  totally Berlin for the American radio public. And so, in 1984, “Sex in der Stadt” was premiered all over the U.S.

On 25. Feb. 2024, I’m in Wien for the opening of TONSPUR D, as curator for the installation by Boris Hegenbart, in the MuseumsQuartier.
We’re standing in the cool evening air and record-collector, Thomas Epple presents Georg Weckwerth with a small paper bag. In it are two 45-rpm records made by Peter Weibel and band. They are for Georg’s memorial event for Peter Weibel in just a few days.  Georg hands them to me to look at, and I’m hit by a memory because one 45 is titled “Sex in der Stadt” with a release date of 1983.  I suddenly realize that THIS is the very song we played on U.S. Ear in 1984.  But now, for the first time, 40 years after I first heard it, I understand that it was Peter Weibel talking/singing and the Hotel Morphila Orchester playing.  I laughed in time-travel-delight:  a mystery from the past had been put in my hands and solved just outside of the TONSPUR_passage in downtown Vienna!

Postscript: after moving to Berlin in 1991, I came to know and honor Peter Weibel and his many works. We had the pleasure of meeting at ZKM in 2002, when I performed with Heiner Goebbels’ “Die Befreiung des Prometheus”.

— David Moss, Berlin, 27 February 2024

PETER WEIBEL / HOTEL MORPHILA ORCHESTER • SEX IN DER STADT

Sabine Groschup • Als gehörten sie einem Mundleser

Sabine Groschup
„Als gehörten sie einem Mundleser“ (TGg #19), 2023 
Provenienz Taschentuch: Georg Weckwerth
a. d. Zyklus „Taschentuchgedichte, gewidmet“, seit 2016

Als gehörten sie einem Mundleser
scannen hellwache Augen die Worte
und übersetzen sie in den Windungen des Gehirns.
Ein kleiner Roboter stakkatot
die einzelnen Buchstaben zu seinen Worten
einer fremden Sprache, einer fernen.
Das weiße Universum der Trägerseiten
füllt sich mit schwarzen Buchstabensternen.
Jedes Wort ist wie ein Wald,
der sich in der künstlichen Welt wiedergefunden hat.
„Schwarze Energie; Sex in der Stadt!“
Erst ist es Projektion im expanded cinema,
übergeleitet in die Jetztzeit der Galaxien.
Hier das Blatt, dort der Screen.
Und aus der Vergangenheit schöpfend,
in die Zukunft gedacht.
Seine Augen blitzen. Seine Freude entfacht
durch Kunstwerke anderer, die einem intelligenten Prinzip folgen.
Seine Objekte träumen, reflektieren und genügen sich selbst.
Worte schlagen im Rhythmus einer Snare Drum.
„Das gelebte Leben ist nicht das eigentliche Leben,
das man leben könnte!“
Und so arbeitet seine Energie nach dem Tod
im expandierenden Universum weiter.

Peter Weibel gewidmet       

SG 2023

Uwe Bressnik • Song For My Art Father

Uwe Bressnik
„Song For My Art Father“, 2023
PETER WEIBEL gewidmet
Ø 14 1/2 Inch / 37 cm

Peter Weibel R.I.P.

TONSPUR 42: Peter Weibel • Das Leben im 20. Jahrhundert: 225 Millionen Morde

TONSPUR 42: Peter Weibel
„Das Leben im 20. Jahrhundert: 225 Millionen Morde“
TONSPUR für einen öffentlichen raum 2011

Installationsansicht

Photos Reinhold Leitner